Ein Kommentar zur Lage von Johannes Haas
Wer in den letzten Monaten sein e-Auto an einer Autobahnraststätte laden wollte (oder musste), hat sich wahrscheinlich schon des Öfteren über den offensichtlich schleppenden Ausbau der Ladeinfastruktur gewundert. Stehen hier doch tatsächlich oft immer noch die „Schnarchlader“ mit max. 50 kW Ladeleistung; nur wenige wie die von IONITY bieten Ladegeschwindigkeiten von 300 kW und mehr.
Neue Standorte oder zusätzliche Ladesäulen? Seit längerem Fehlanzeige!
Kein Wunder, dass sich an immer mehr Raststätten Warteschlangen bilden, die von Fahrern mit Verbrennermotor belächelt werden. Oder man weicht gleich auf einen Autohof aus, wo häufig neben gut ausgebauten Ladeparks auch bessere gastronomische Angebote warten.
Doch warum ist das so? Der Bund selbst als ehemaliger Eigentümer des Quasi-Monopolisten „Autobahn Tank und Rast Gruppe GmbH & Co. KG“ hatte dieser bereits 2021 ohne Ausschreibung die Konzession zum Ausbau der Ladeinfrastruktur an deren Raststätten erteilt. Hiergegen klagten seither vor allem Tesla und Fastned zunächst vor dem OLG Düsseldorf, inzwischen ist das Verfahren seit 2023 vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig.
Daher ist das Vergabeverfahren seit nunmehr 3 Jahren gestoppt und der Ausbau steht still, wie auch der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur (NOW) bekannt sein sollte. Lediglich an unbewirtschafteten - und damit unattraktiven - Parkplätzen könnten neue Lademöglichkeiten entstehen, was Tank & Rast ursprünglich auch verhindern wollte.
Und was macht unsere tatkräftige Ampel-Regierung? Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr feiert lautstark das sogenannte „Deutschlandnetz“ als Masterplan für die Zukunft. Wann es aber soweit sein wird, steht derzeit noch in den Sternen. Und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz scheint weiterhin am Monopolisten Tank & Rast nicht nur als Betreiber der Tankstellen, Raststätten mit überhöhten Preisen oder Toiletten von Sanifair, sondern auch deren Ladeinfrastruktur festzuhalten, statt auf Wettbewerb zu setzen - was vor allem den Verbrauchern zugutekommen würde. Leider sieht auch das Bundeskartellamt bisher keine Notwendigkeit, hier einzugreifen.
Auch in Städten und Kommunen bietet sich oftmals ein ähnliches Bild, vergeben diese doch die attraktiven Standorte meist an ihre eigenen Energie- und Stadtwerke. Hierdurch entsteht ein Flickenteppich aus unzähligen verschiedenen Anbietern, was beim Neueinsteiger in die e-Mobilität zu Verwirrung und Verunsicherung führt. Wie viele und welche Ladekarten benötige ich, was kostet die kW-Stunde Strom in welchem Tarif? Ladechaos pur!
Kein Wunder, dass die Absatzzahlen für e-Autos in Deutschland im August 2024 um 69 % gegenüber dem Vorjahr eingebrochen sind, während in Norwegen im gleichen Monaten 94,3 % der Neuzulassungen Elektrofahrzeuge waren!
Nicht nur der abrupte Stopp des Umweltbonus Ende 2023 hat zu dieser Entwicklung geführt, auch die mangelnde Bereitschaft der politisch Verantwortlichen zu einer konzertierten Unterstützung des Mobilitätswandels beim Ausbau der Ladeinfrastruktur ist ein Armutszeugnis.
Ganz aktuell scheinen sich Politiker, vor allem aus Frankreich und Deutschland, sowie etliche Hersteller bei den Forderungen nach einer Verschiebung oder Aufweichung der neuen EU Flotten-Grenzwerte ab 2025 regelrecht zu überbieten. Ins Feld geführt werden hierbei die "vollkommen überraschend" verschärften Regelungen (die schon seit Jahren bekannt sind), die die Entwickler der Fahrzeuge vor "unüberwindbare Hindernisse" stellen.
Hierzu empfehle ich gerne den Artikel und Podcast von electrive, in dem Peter Mock, Europa-Geschäftsführer des International Council on Clean Transportation (ICCT), die ganze Thematik sachlich und neutral beschreibt.
Was ist also zu tun?
Um einen Ausweg aus dieser Misere zu finden, der nicht nur die Verbraucher, e-Autofahrer und Betreiber von Ladeinfrastruktur ärgert, sondern vor allem auch die deutsche wie europäische Autoindustrie bremst, braucht es vor allem eins: Eine EU-weit einheitliche, konzertierte, klare und verbindliche Rahmengesetzgebung, die eine langfristige Basis für die Entwicklung einer zukunftsfähigen Mobilität schafft. Oder, wie es Prof. Andreas Herrmann von der Universität St. Gallen im Focus beschrieben hat: "Ideen für die neue Mobilität statt planlose Politik". Dem ist nichts hinzuzufügen - einfach machen!