Tesla spielt Tron – und öffnet eine Grundsatzdebatte
- Norman Kassler
- 23Std.
- 3 Min. Lesezeit

Mit dem Software-Update 2025.38 (bzw. 2025.38.3) hat Tesla für einige Modelle — genauer: Fahrzeuge mit AMD-Ryzen-Chip — eine neue Option ins Infotainment genommen: den sogenannten Tron Mode. Bei Aktivierung verwandelt sich die Standard-Fahrzeugdarstellung auf dem Display in ein leuchtendes „Light Cycle“ aus der Welt des Films Tron: Ares. Dazu kommen neues Sounddesign (inklusive Blinkerton und Schloss-Sound) und — sofern vorhanden — ambient-beleuchtete Innenraumbeleuchtung im typischen Neon-Look.
Tesla selbst nennt den Modus Teil der „Toybox“: eine Art Spielerei, optional aktivierbar, nicht standardmäßig zwingend. Doch trotz der optionalen Natur stößt das Update auf gemischte Reaktionen — und wirft grundlegende Fragen auf.
Software kann Spaß machen — und genau das zeigt Tron Mode
Für manche Tesla-Fahrer ist der Tron Mode genau das Richtige: ein spielerisches, futuristisches Extra, das dem Auto — zumindest digital — neues Leben einhaucht. Licht, Sound und das neue Visual lieben viele Nutzer als originellen Hingucker und als Hommage an Sci-Fi und Pop-Kultur. Der Wechsel vom nüchternen Auto-Cockpit zum neonbeleuchteten Light-Cycle mit Glitzerspur erzeugt schlicht einen Wow-Effekt, der das Fahrerlebnis spaßiger und individueller macht.
Gerade bei einem Hersteller, der stark auf Software-Defined Vehicle (SDV) setzt, zeigt der Tron Mode, wie flexibel solche Fahrzeuge inzwischen sein können — nicht nur technisch, sondern auch emotional bzw. kulturell. Ein simpler Software-Knopfdruck reicht — kein Umbau, kein Extra-Hardware-Modul.
Plattformcharakter von E-Autos wird sichtbar
Das Update verdeutlicht, wie moderne E-Autos mehr und mehr zu digitalen Plattformen werden: Fahrzeuge sind nicht länger nur Transportmittel, sondern multisensorische Interfaces, auf denen Software, Design und Erlebnis verschmelzen. Mit jedem Update lassen sich neue Features aktivieren — und damit auch neue Umsatz-, Erlebnis- oder Individualisierungsoptionen.

Für Tesla kann das ein strategischer Vorteil sein: Mit Software-Features wie dem Tron Mode lassen sich Fahrzeuge länger spannend halten, länger „aktuell“ fühlen — auch ohne Hardware-Änderungen.
Aber: Ist das nicht schon Werbung — und wo zieht man die Grenze?
So harmlos der Tron Mode auf den ersten Blick wirkt — er ist deutlich mehr als nur ein Easter Egg: Es handelt sich um eine Promo-Integration für den Film Tron: Ares, also eine Marketing-Kollaboration mit externem kommerziellen Hintergrund.
Einige Nutzer empfinden das deshalb nicht als nette Spielerei, sondern als Werbung im Auto — ein Raum, der bisher weitgehend werbefrei war. Kritisch gesehen bedeutet das: Der Hersteller bzw. Partner diktiert mit, wie das Cockpit aussieht oder klingt — was bei manchen Fahrern auf Widerstand stößt. Berichtet wird etwa, dass Teile des neuen Sounds (z. B. Blinkerton, Tür-/Schloss-Sound) nicht abschaltbar seien, was als unangenehm und aufdringlich empfunden wird.
Es entsteht die Frage: Wem gehört der Bildschirm — dem Fahrer oder dem Hersteller/Partner? Die Grenzen verschwimmen: Mal sieht man es als Spielerei, mal als kommerzielle Infiltration des Innenraums.
Risiko für User Experience und Nutzerhoheit
Wenn Hersteller bzw. Marken anfangen, das Infotainment gezielt zu manipulieren — mit Themes, Sounds, eventuell sogar Pop-Ups oder Paywalls — besteht die Gefahr, dass das Auto sich weniger wie ein neutraler, nutzerkontrollierter Raum anfühlt. Die Nostalgie und Freiheit, die viele E-Auto-Fans mit der Plattformidee verbinden, könnten verloren gehen.
Ein Szenario: Heute Light-Cycle, morgen ein Film-Premieren-Skin gegen Abo, übermorgen permanente Markenwerbung oder gar Werbung während der Fahrt — plötzlich fühlt sich das Auto wie ein Smartphone an, auf dem Werbung normal geworden ist.

Genau das fürchten Kritiker des Tron Mode. Gerade bei Software-Defined Vehicles, die per Update verändert werden können, liegt das Risiko grundsätzlich darin, dass Nutzerhoheit und Autonomie durch Kommerzialisierung verdrängt werden.
Drei mögliche Entwicklungen — und warum es wichtig ist hinzuschauen:
1. Alles bleibt locker
Der Tron Mode bleibt eine Ausnahme — ein spaßiges Gimmick, das optional bleibt. Künstlerische, thematische Updates wie dieser bleiben selten, und Werbung im Auto bleibt die Ausnahme.
2. Das Auto wird ein Display
Immer mehr visuelle Themes, Marken-Skins, Content-Partnerschaften — Infotainment wird zur Bühne für Marken, Filme, Musik, Games. Der Innenraum wird mit plattform-artigen Erlebnissen bespielt.
3. „Pay to Play“ Modell
Themes, Sounds, Skins oder andere Extras werden kostenpflichtig — ähnlich zu In-App-Käufen bei Smartphones. Individualisierung wird zum Geschäftsmodell.
Je nachdem, wie Tesla und andere Hersteller diesen Kurs fortsetzen, könnte das — neben spannenden Erlebnissen — auch einen massiven Einfluss auf Komfort, Nutzerfreiheit und den Charakter von Automobilität haben.
Fazit — Cooles Extra mit Schattenseiten
Der Tron Mode kann mit einem Lächeln quittiert werden — als nette Hommage an Sci-Fi und als Ausdruck dessen, wie flexibel moderne E-Autos inzwischen sind. Er zeigt: Software kann nicht nur technisch sinnvoll sein — sie kann auch Spaß machen und das Nutzererlebnis emotional aufladen.
Gleichzeitig ist der Modus ein deutliches Signal: Auto-Displays sind längst nicht mehr nur für Navigation, Energieanzeige oder Unterhaltung da — sie werden zur potenziellen Werbefläche. Und was heute ein optionales Feature ist, kann morgen ein Geschäftsmodell sein — mit Themes, Skins und vielleicht sogar Paywalls.
Für Nutzer bedeutet das: Es lohnt sich, aufmerksam zu bleiben — und zu überlegen, welche Rolle sie dem digitalen Innenraum ihres Fahrzeugs geben wollen. Der Bildschirm im Cockpit hat sich verändert: Von nüchternem Bordcomputer zu potenzieller Marken-Fläche.
